Eines Morgens hatte Jan gerade die Pausenbrote im Ranzen verstaut, die Ermahnungen seiner Mutter über sich ergehen lassen, schulterte den Ranzen und war auf dem Weg zur Schule.
Er hatte einen weiten Schulweg, mußte jeden Morgen erst mit dem Bus zur Straßenbahn, in noch eine Straßenbahn und am Ende in einen mit Mitschülern völlig überfüllten alten Bus. Der hing jedesmal so durch, daß jede Kurve den Bus laut aufstöhnen ließ.
"Au", hörte Jan leise von unten. "Wer hat da ‘au’ gerufen?" fragte Jan genau so leise. "Ich!" "Wer ich?" "Na ich, der Bus!" "Wer?" Jan traute seinen Ohren nicht. "Ich bin doch total überladen", sagte der Bus, "und das auf meine alten Tage. Früher, da bin ich noch weit herum gekommen. Da haben sich die Leute gefreut, wenn ich kam", fuhr er fort, "als ich noch neu war, hat man meine Linien beachtet, meinen schönen Lack bewundert und gesagt, ich sei der beste Bus, den es gäbe. Man ist mit mir über Land gefahren, so daß ich die weite Welt gesehen habe. Und immer bin ich zuverlässig gewesen, war nie krank oder so. Die Leute, die mit mir fuhren, haben gelacht und den Ausblick genossen. Mein Fahrer hat mich immer sauber gehalten und meinen Chrom poliert, damit ich in der Sonne glänze."
"Und warum bist du jetzt hier?" fragte Jan. "Eines Tages kam der Chef zu mir und meinem Fahrer und hat gesagt, daß er einen neuen Bus für meinen Fahrer gekauft hätte. Ich sei zu alt, mit mir könne man die Ansprüche der Fahrgäste nicht mehr erfüllen. Der neue Bus sei viel moderner, hätte getönte Scheiben, eine Klimaanlage und ein Automatikgetriebe. Außerdem würde ein Bus wie ich die Kundschaft vergraulen, mit so einem Schrotthaufen wolle keiner mehr fahren.
Zwei Tage später stand der neue Bus auf dem Hof. Plastik statt Chrom und ausgesehen hat er wie ein großer Schuhkarton auf Rädern. Das war also nun meine Ablösung und mein Fahrer fuhr nun den neuen Bus. Es kamen nun andere Fahrer. Immer wieder andere, die mich nie sauber hielten. Sie kehrten mal mit dem Besen durch den Gang und fuhren mit mir mal durch die Buswaschanlage, aber meinen Lack hat keiner von ihnen auch nur mit einem Schwamm gewaschen.
Anfangs machte ich noch Ausflüge in die Region, meistens mit einem Kegelklub oder mit Schulklassen. Aber auch das ist schon lange vorbei. Nun fährt man mich hier kaputt und bald werde ich wohl auf den Schrott geworfen, werde recycelt und stehe dann eines Tages wieder als neuer Bus auf irgendeinem Hof. Dann werde ich auch einer von diesen Riesenschuhkartons auf Rädern sein, wo, statt Chrom, Plastik in der Sonne glänzt." "Ich muß jetzt aussteigen, Tschüs bis morgen", sagte Jan.
Am nächsten Morgen stieg Jan wieder in den Bus. "Hallo", sagte der Bus fröhlich. "Hallo", erwiderte Jan. "Es ist was ganz tolles passiert", fuhr der Bus fort, "mein alter Fahrer hat mich gekauft. Heute ist mein letzter Tag hier. Nun gehe ich für eine lange Zeit in die Werkstatt. Mein Fahrer sagt, daß er wieder den schönen Bus aus mir macht, der ich mal war. Er meint, daß das zwar viel Arbeit sei, aber er hinge halt an mir und mit seinem neuen Bus wäre er nie glücklich geworden."
Eines Tages sah Jan einen wunderschönen alten Bus vorbeifahren. Die dreifarbige Lackierung glänzte in der Sonne mit dem Chrom um die Wette. Die Leute, die innen saßen, lachten. ‘OLDTIMER-BUSREISEN’ stand in verschnörkelter, goldener Schrift darauf.